Ich bezeichne mich als diplomierte Kampfpendlerin weil ich seit über zehn Jahren mit ÖV zur Arbeit fahre. Als solche erlebe ich vieles, lustiges und trauriges, sinnvolles und sinnloses. Und das möchte ich teilen, mit Freunden und Fremden, mit grossen und kleinen Menschen, mit Leuten aus der Nähe und Leuten aus der Ferne. Frohes Lesen

Freitag, 4. April 2014

Nagetiere

Ich habe ja in einem früheren Blog schon mal geschrieben, dass ich von Zeit zu Zeit Maus- und Chinchillasitting mache.
Vor mehreren Jahren durfte oder musste ich bei einem Bekannten auch Hasen füttern. Tagsdurch hoppelten die Tierchen fröhlich durch den Garten, aber am Abend musste ich dafür besorgt sein, dass sie in ihrem Hüttchen übernachteten. Eines Tages war ich relativ spät dran. Einer der Hasen war bereits versorgt, aber der andere wollte "ums Verrecke" nicht in seine Unterkunft. Die werte Leserschaft wird nun denken, nichts einfacher als das. Mit einem Rüebli lässt sich das Vieh schon locken. Träumt weiter. Guter Rat ist teuer, ich bin saumüde, nur wenige Meter weiter wartet mein Bett auf mich. Nun wird es filmreif: ich lege mich auf den Bauch in den Dreck, halte in der einen Hand ein knackiges Rüebli und warte. Das Miststück ist aber nicht dumm, hüpft heran, knabbert und wusch ist es wieder weg. Mindestens zehn Minuten lag ich da bis ich ihn packen konnte und in sein Schlafgemach verfrachten konnte. Nun gut, es war ja dunkel, es wird mich keiner gesehen haben, so mein letzter Gedanke bevor ich mich in Morpheus Arme begab.
Am anderen Tag treffe ich einen Bekannten, von dessen Küchenfenster man die beste Sicht auf die Innengärten hat, in denen sich das Drama abspielte. "Du, ich gloub ich bi geschter bsoffe gsih, cha doch ned si, dass öpper am Obe am haubi Öufi büchlings im Dräck lit.". Meine Antwort: "Ned so vöu sufe, nöd sou vöu sufe."
Über die Mäusejagd habe ich ja früher schon mal geschrieben. Und die Chinchillas hatten auch schon Freigang, darüber ein anderes Mal.

Donnerstag, 3. April 2014

Warum nur so pessimistisch?

Leserbrief in eigener Sache:
Liebe Pendlerin, warum nur so pessimistisch? Ich meine den letzten Beitrag. Schauen Sie doch einmal zum Bürofenster raus: Bäume, die immer grüner werden, bald wieder Sixpacks auf dem Rotsee am Trainieren, gute Freunde, die gute Laune verbreiten. In der Mittagpause im virtuellen Jass die Gegner abserviert.

Liebe Leserbriefschreiberin
Sie haben recht. Dazu kommt heute wieder einmal ein Feierabendbierchen. Gute Lektüre aus dem Giftschrank, schön farbig eingefasst, wie früher die Schulhefte. Und das Wochenende steht vor der Tür. War halt ein bisschen Dampf ablassen. Muss sein von Zeit zu Zeit. Es ist aber auch so, dass im Moment nicht viel passiert. Im Zug  zwischen Olten und Luzern werden keine Schlangen entdeckt, Stellwerkstörungen sind auch selten geworden. Das einzige, das sich zu erwähnen lohnt, ist ein weiterer Stammkunde, der auch immer im vordersten Zweitklassewagen fährt. Vermutlich hat er sehr wenig Zeit um auf den Bus zu eilen. "Gring ache u seckle" würde Anita Weyermann dazu sagen. Auf jeden Fall begibt sich der gute Mann kurz vor Einfahrt in den Bahnhof Luzern nach vorne, zum vordersten Ausstieg im Erstklassewagen (wäre nicht erlaubt, selbst für die wenigen Minuten oder Sekunden nicht, hat der Kondukteur mal gesagt. Aber die lassen das durch). Anyway, gestern steht der gute Mann wieder auf, will sich nach vorne begeben, da fängt doch ein anderer Passagier zu zetern an, aber so öppis vo usrüefe habe ich schon lange nicht mehr. "Mir müesse ou alli usschtige, verdammts vüredrängle." Schön, hat der gute Mann keine anderen Probleme. Der Drängler schaut übrigens auf seinem Smartphone witzige Videos, mit Kopfhörer und lacht sich zwischendurch fasch e Schranz. Das würde ich nie tun. Es ist mir nur einmal passiert, dass ich in Zürich nach einer Lesung von Pedro Lenz ein Buch, das ich eben gekauft hatte, im Zug nach Olten zu lesen begann. Lachanfälle meinerseits sorgten bei den anderen Passagieren für Kopfschütteln. Ich wollte das Risiko nicht eingehen, in Olten in eine Jacke gepackt zu werden, bei denen die Ärmel hinten zugeknöpft werden. Jack Nicholson und das Kuckucksnest lassen grüssen. Also habe ich das Buch in die Tasche gesteckt, gelangweilt und todernst aus dem Fenster geschaut. So bin ich sicher nach Hause gekommen. Sonst gäbe es den Blog nicht, was zumindest für mich schade wäre. Für ein paar von Euch hoffentlich auch. Hend ihr öppis gmerkt: Fishing for compliments!

Vom Frust und der Lust Pendlerin zu sein

05.30 Uhr: unbarmherzig schellt der Wecker. Snoozerfunktion ein, aber spätestens 9 (neun) Minuten schellt das Mistding wieder. Da kann man noch so schön geträumt haben vom Traumurlaub mit dem Traummann im Traumhotel mit dem Traumstrand. Der Wecker schellt und der Albtraum beginnt. Ja, ich erlebe derzeit so etwas wie einen Albtraum und da ist nicht viel mit Pendlerlust, auch nicht mit Pendlerinlust. Das ist eher ein Frust, ein F...... Riesiger Unguter Sch.... Treck(er) fahren würde mir mehr Lust bereiten. Deshalb schreibe ich derzeit nicht gerade so viel wie ich gerne möchte.
Aber noch kurz zu einem meiner Stammkunden, dem Fussballexperten. Erzählt der doch heute Morgen im Zug, dass die UEFA dem FC Basel die entgangenen Einnahmen für das heutige Geisterspiel bezahlen müsse. Nobel, nobel.

Donnerstag, 20. März 2014

Von blauäugigen Schwarzfahrern

Wer kennt das nicht. Man sitzt schon seit einigen Minuten im Zug, bestaunt die Landschaft, liest ein Buch oder beschäftigt sich sonst irgendwie. Dann die Stimme: "Aui Billet vorwiese". Nun gibt es hier zwei Typen von Passagieren. Die einen beginnen zu "nusche", dies sind vornehmlich Frauen mit riesigen Handtaschen oder Rücksäcken oder gar mehreren Gepäckstücken. Dann gibt es diejenigen, die das Ticket seit Zugabfahrt zur Hand haben und es subito vorweisen können. Ich, und die geneigte Leserschaft, wird mir zustimmen, gehöre keiner Kategorie an. Ein Griff in den Rucksack oder die Tasche, et voilà. Und dann gibt es noch solche, die kein Ticket haben. Vergessen oder mit Absicht?
Auf jeden Fall, gestern Abend im Zug von Luzern nach Olten, mit Zwischenhalt in Sursee und Zofingen, sitzt ein jüngerer Mann, der in Sursee zugestiegen ist. Der freundliche Uniformierte erkundigt sich nach dem Ticket. "Ich arbeite bei der SBB, habe aber die Ausweise zu Hause vergessen." Vorgetragen in der Hoffnung, dass sein Kollege ihn laufen lässt. Kannst du vergessen, die Personalien werden notiert, das ganze Programm. Aber jetzt kommt das Beste: Der junge Mann wird abgemahnt, von wegen er arbeite bei der SBB und müsse Vorbild sein und er hätte proaktiv auf den Kontrolleur zugehen müssen, und diese Busse müsse nun bezahlt werden, von wegen Sonderbehandlung und so weiter. Dabei hatte ich nicht das Gefühl, dass der Beamte das demonstrativ machte.

Nun muss ich gestehen, dass ich vor gut einem Jahr des öftern schwarz gefahren bin. Dies aber unabsichtlich und  mit einem Happy End. Ich arbeitete damals temporär in Bern, "inetöggele" ohne Ende. Wenn ich den Bus nahm, fuhr ich bis Bremgarten Friedhof. Nun gibt es die roten Busse und die gelben Postautos. Am Morgen fuhr ich meistens mit dem roten Bus der Bernischen Verkehrsbetriebe. Am Abend stand manchmal ein Postauto wie bestellt für mich da. Also stieg ich in das gelbe Fahrzeug. An einem kalten Dezemberabend fuhr ich mit dem roten Bus zurück. Dann die Durchsage: "Ticketkontrolle bei der nächsten Station". Okay, kein Problem für mich, ich steige aus, weise mein Monatsabo "Olten - Bern, Bremgarten Friedhof" dem Kontrolleur vor. "Das ist nicht gültig in den BVB-Bussen, nur für das Postauto." Ich schaue den Mann perplex an, fange an zu rechnen, was das kostet. "Ächt? Ich bi öppedie mit em rote Bus gfahre. Was chostet das jetz?" "Jä, wie mängisch de?" "Weiss ou nümme, hüfig." Mir wird bang und bänger. "Jo, das wüsse vöu Lüt ned. Lömmer's guet si." Ich arbeitete noch bis Mai für das Inselspital. Und weil die Postautos am Morgen blöd zu erreichen waren, ging ich ab dem Tag fast täglich zu Fuss an die Güterstrasse und zurück. Wobei vor allem der Rückweg nur einfach gut tat, weil über acht Stunden in den Bildschirm starren und Bestellungen "inetöggele" da tut frische Luft mehr als nur gut.

Mittwoch, 19. März 2014

Einem Stammkunden gewidmet

Ich habe schon des öftern über den Sportexperten aus dem Baselbiet berichtet. Nun habe ich einen neuen Stammkunden zu vermelden. Er steigt in Zofingen ein und das tägliche Ritual beginnt. Er nimmt das Notebook aus der Tasche, legt es auf den Sitz. Die Tasche wandert unter den Stuhl. Dann schneuzt er sich die Nase, zerknüllt das Tuch und versorgt es mit spitzen Fingern im Abfallkorb. Der Mantel wird auf die Gepäckanlage gelegt. Notebook starten, in der Zwischenzeit liest er die Zeitung. Dann beginnt er Mails zu lesen und zu beantworten. Und, lieber S.Z., es tut mir leid. Ich kann es mir manchmal nicht verkneifen, Ihre Korrespondenz mitzulesen. Wie magisch angezogen bin ich von Ihren Reservationen für die Metzgete im nächsten Januar (!!) oder von Ihren Kommentaren zu einer Analyse Ihres Kollegen. Ich verrate hier nicht, für welches schweizerische Grossunternehmen Sie arbeiten. Aber weiter mit den Ritualen: bis kurz vor Luzern wird reserviert und kommentiert, es wird geschrieben wie getrieben. Keine Minute Rast, keine Zeit um die Sonne über dem Sempachersee zu bestaunen. Kurz vor Luzern wird das Notebook versorgt und eine Scheibe Brot aus einem Plastikbeutel genommen, während des Aussteigens wird diese ganz schnell verdrückt. Der Mann tut mir leid, denn ich bin überzeugt, dass am Abend ein ähnliches Ritual stattfindet.
Ich nehme mir am Morgen Zeit, ein Buch zu lesen, die Nebelschwaden bei Willisau zu bestaunen oder einfach, mit Sonnenbrille bewaffnet, den Anblick des Sempachersees zu geniessen. Und am Abend, ja am Abend, nehme ich mir Zeit für:


ok.-

(Kiosk AG, 4.9%)

 
Für einen Pendler geht nichts, aber auch gar nichts über ein kühles Fürobebierli. Am Besten geniesst sich dieses natürlich im Spiswägeli. Die geübte Kampfpendlerin weiss auch ganz genau, wo sie aneschtoh muess. Im Bahnhof Luzern, Gleis 7, Abfahrt des Zuges ist genau auf der Höhe des Warthüslis. Was macht Kampfpendlerin aber, wenn Kohle knapp, die Dose Eichhof kostet schliesslich sächs Schtutz im Spiswägeli. Nun denn, für was gibt es Kioske, wenn nicht zum gänggerle und tünterle? Also, aschtoh in der Schlange, eine Dose Kioskbier in der Hand. Zwöi Franke füfzg sind genau abgezählt. Noch rasch den Brief, den man vom Aute in die Hand gedrückt bekommen hat, i Briefchaste eingeworfen. Und schon fährt der Zug ein, alle loh usschtige, einen Platz am Fenster erobert und noch rasch eine Geschichte für BRUDW i Compi ghacket. Und dann, ein erster Schluck, chüeu ond frisch rünnets d’Schpisröhre abe. Proscht.


Das sollte dieser S.Z. auch mal tun. Der Text stammt übrigens aus einem Projekt, dem BRUDW-Projekt. Bier Rund Um Die Welt-Projekt. Ich bin in Zofingen im Ox auf die Idee gekommen. Dort kann man Biere aus aller Herren Damenländer geniessen. Das Projekt wird so schnell nicht abgeschlossen sein, zu jedem Bier das ich trinke, schreibe ich eine Geschichte. Ein südafrikanisches Bier hat mich dazu gebracht, einen Text über einen Zoowärter zu schreiben, der Pinguine aus Südafrika betreut und kurz vor der Pensionierung steht. In dem Sinn: Prost

Freitag, 14. Februar 2014

Önologie oder Von Perversen und Primitiven

Was man im Zug nicht alles zu hören bekommt:
Gestern Abend, 13. Februar, ca. 17.50 Uhr: Ins Abteil neben mir setzen sich zwei junge Leute. Mann und Frau, die sich wohl seit längerem kennen und sich zufällig getroffen haben. Sie schwatzen über dies und jenes und kommen auch auf den heutigen Valentinstag zu sprechen. Plötzlich grinst er vor sich hin und beginnt von einem Date zu sprechen. "Ich habe meinen Schwarm eingeladen, zu einem guten Abendessen beim Italiener. Nicht einfach Pizza, sondern schon was besseres. Und natürlich wollte ich ihr einen guten Wein spendieren. Nicht den 08-15er Chianti, es sollte schon was Gutes sein. Also sage ich zum Kellner: 'Haben Sie auch Perverso?' Der schaut mich fragend an: 'Perverso?' Und ich: 'Ja, den Perverso. Den sollten Sie also kennen!' Kellner: 'Sie meinen wohl den Primitivo?' Gott, war mir das peinlich, so ööpis vo peinlich."


Von wegen zu hören bekommen. Sotschi und Olympische Spiele, da lässt es sich der Sportexperte aus dem Baselbiet natürlich nicht nehmen, die Ereignisse zu kommentieren. Von peinlichen Curlern ist zu hören, vom "Potschlikow" (sic!) und von Lara Gut, die zwar gut aussehe aber ansonsten dumm wie Brot sei.

Und zum Schluss: vor wenigen Wochen habe ich geschrieben, dass ich den Schriftsteller Friedrich Glauser wieder entdeckt habe. Und wie es der Zufall so will: Die IC-Züge, die zwischen Luzern und Basel verkehren sind ja nach bekannten Schweizern benannt. Gestern fuhr ich im Friedrich Glauser-Zug, ein schöner Zufall.

Freitag, 7. Februar 2014

Speis und Trank





Bekanntlicherweise fahre ich abends meistens im Speisewagen nach Olten und geniesse ein kühles Getränk. Was das Mittagessen betrifft, habe ich verschiedene Möglichkeiten: Erstens gibt es gegenüber meinem Büro die berühmte Bäckerei Macchi, die eine grosse Auswahl an Sandwiches anzubieten hat. Dann gibt es einen italienischen Take Away mit warmen Paninis und drei verschiedenen Menues. Geführt wird dieses Geschäft von einer italienischen Mamma, wie sie im Bilderbuch steht. Und dann gibt es im Erdgeschoss so eine Art Kantine. Nun sollte die geübte Kampfpendlerin das Hirn einschalten, bevor sie die Menuekarte liest. Dann würden die Sirenen aufheulen, wenn dort das Wort "Fleischkrapfen" oder "Wurstweggen" steht. Als ich noch jung und brav war, war ich einmal pro Jahr in einem Skilager. Dort gab es am letzten Tag jeweils Suppe "Revue de la Semaine". Alles, aber wirklich auch alles wurde da reingeschmissen. Hätte ein Lehrer seine dritten Zähne auf dem Teller liegen lassen. Aber lassen wir das, sonst Kopfkino. Auf jeden Fall liegt mir der Fleischkrapfen schwer im Magen und der Mandarinenschaum von Macchi wartet im Kühlschrank darauf, mit nach Olten genommen zu werden. Dann hat sich mein Magen hoffentlich beruhigt. Wobei ich Entwarnung geben muss: Das Essen in der Kantine ist normalerweise sehr gut. Dazu muss auch das sensationelle und rüdig gute Salatbuffet erwähnt werden, das leider meist geplündert ist, wenn ich komme.
Und nun bekenne ich mein Laster: Von Zeit zu Zeit muss es Fast Food sein. Und in Luzern, direkt am Bahnhof hat es einen Burger King, der ist viel besser als Mäc. Ist so, darüber diskutiere ich nicht. Das ist wie Beatles oder Stones.
Und wehmütig denke ich an meine Zeit in Bern, als ich mit Dave, Michi, Egzon, Ardan und wie meine lieben Kollegen so hiessen, an einem Projekt für das Inselspital arbeitete. Auch nach Bern fuhr ich mit dem Zug. Gleich um die Ecke des Arbeitsplatzes hatte es einen winzigen indischen Imbiss. Wenn man den betrat, wurde man olfaktorisch in eine andere Welt versetzt. Am Freitagabend gab der Chef einem von uns Geld in die Hand, für jeden eine Büchse Biert zu erstehen. Eines Tages kaufte ich mir ein Schoggistängeli. Ungeniessbar, das schmeckte nach Curry. Das Bier zum Glück nicht. In dem Sinne wünsche ich allen "E Guete ond Prost (nicht Proust)".